„Porträt einer Dame“ heißt das Bild, das Jahrhunderte vor sich hin staubte - und das sich nun als kostbares Gemälde herausstellt.

 

Unter dem Staub – eine Sommergeschichte

 

Jetzt ist es wieder passiert. Ein Bild, das viele Jahre lang vor sich hin staubte, ist plötzlich kostbar geworden. Man meinte über Jahrhunderte, das Gemälde „Porträt einer Dame“ sei von einem Schüler des Meisters gemalt worden und sei deswegen von nur geringem Wert. Jetzt aber hat man mal vorsichtig und gründlich den ganzen Staub vom Bild entfernt und genau hingesehen. Und siehe da, es ist vom Meister selber, nämlich von Peter Paul Rubens (1577–1640), geboren als Sohn flämischer Eltern in Siegen in Westfalen. Weil sie calvinistische Protestanten waren, siedelte die Familie während eines Religionsstreits aus Flandern nach Westfalen um. Rubens selber zog aber später über Köln wieder nach Antwerpen zurück.

 

Ein Mann, der ungenannt bleiben will, hat das Rubens-Bild „Porträt einer Dame“ vor Jahren für ein paar Tausend Euro gekauft und lässt es – versehen mit den neuesten Gutachten – Ende Juli in London versteigern. Erwartet wird ein Erlös von um die drei Millionen Euro. Ein gutes Geschäft, nur weil man mal gründlich abgestaubt hat. 

 

Manchmal ist das ja so: Etwas staubt Jahre oder Jahrzehnte unerkannt vor sich hin, behält aber unter dem Staub seinen wertvollen Glanz. Auch der Mann, dem ich manchmal begegne. Sein Staub heißt Griesgram. So schaut er auch: etwas missmutig, leblos und grau. Wenn ich mich kurz zu ihm setze, denke ich: Jetzt musst du ihn wieder ein wenig abstauben. Und siehe da: Wenn er von seinen Kindern und Enkeln erzählt, wenn er vom letzten Angelausflug berichtet oder wie er den Garten bestellt, verschwindet allmählich der Griesgram. Sein Gesicht wird ein bisschen heller. Es strahlt nicht gleich wie ein Gemälde von Rubens, aber ein wenig leuchtet es schon.

 

Weil er von sich sprechen kann, weil sich jemand für das interessiert, was ihn beschäftigt. Ich mag nicht immer die langen Geschichten, die dann manchmal zu hören sind; ich mag es aber, wenn Menschen anfangen, sich wieder wertvoll zu fühlen. Es ist dann, als kämen sie etwas aus dem Schatten hervor, der sonst um sie zu liegen scheint. Und es ist, als träten sie genau in das Licht, das Gott sich für uns wünscht: wertvolle Menschen zu sein – wie kostbare Bilder.

 

Der Prophet Jesaja (58,7-8) hat dafür wunderbare Worte gefunden, wenn er schreibt: Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut … Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte. Es ist das Licht einer solchen Morgenröte, das Gott sich für uns wünscht: Geduldig miteinander zu sein. Heiter und hell.